Wien
Jüdisch


Der jüdischen Tradition verpflichtet
von Alfred Stalzer

Es wird oft vergessen, dass in Wien zahlreiche Persönlichkeiten lebten, die für das Judentum von großer Bedeutung waren. Wie der erste Rabbiner der Judenstadt im Unteren Werd (lag auf dem Gebiet des heutigen 2. Gemeindebezirks), der in Krakau verstorbene Halakhist (=jüdischer Rechtsgelehrter) Jomtov Lipman Heller, oder die Rabbiner Scheftel Horowitz und Gershon Uliph Aschkenazi. Unter den privilegierten Hofjuden ist besonders Samson Wertheimer zu nennen, der Anfang des 18. Jahrhunderts nicht nur als Financier, sondern auch als Oberrabbiner von Ungarn wirkte, und dessen Haus in Eisenstadt heute das Österreichische Jüdische Museum beherbergt (Eisenstadt, Unterbergstraße 6).

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Isaak Löw Hofmann, 1835 als "von Hofmannsthal" in den Adelsstand erhoben, gehörte zu den wichtigsten Förderern traditioneller rabbinischer Werte und des Baus des Wiener Stadttempels. Isaak Noah Mannheimer gelang es als Rabbiner des Stadttempels, den Bruch zwischen Orthodoxie und Reform in der Wiener Gemeinde zu vermeiden, und Salomon Sulzer erneuerte als Kantor an seiner Seite den synagogalen Gesang. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab Adolf Jellinek, der liberale Rabbiner der großen Synagoge in der Leopoldstadt, der Wiener jüdischen Gemeinde neue Impulse. Nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sich der dem zionistischen Ideal verpflichtete Zwi Perez Chajes als Oberrabbiner besonders im Bildungswesen, gründete das erste jüdische Gymnasium und das Jüdische Pädagogium in Wien: das 1984 wiedereröffnete jüdische Gymnasium wurde als Würdigung seiner Leistungen nach ihm benannt.

Jüdische Intellektuelle und Künstler und ihr
Beitrag zur Wiener Kultur- und Geistesgeschichte

Politische Erneuerer

Da sich die jüdischen Intellektuellen von der bürgerlichen Revolution auch die völlige Gleichberechtigung der Juden erhofften, kämpften sie an vorderster Front der Revolutionäre von 1848. So war es der jüdische Arzt Adolf Fischhof, der im März 1848 mit seiner Rede im Hof des niederösterreichischen Landhauses (1., Herrengasse) ein Signal für den Revolutionsausbruch gab. Fischhof erhielt ein Ehrengrab in der alten israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs (11., Simmeringer Hauptstraße, 1. Tor), in unmittelbarer Nachbarschaft des Grabs von Salomon Sulzer.

Die spätere volle Emanzipation der Wiener Juden änderte nichts am politischen Engagement zahlreicher Intellektueller, wenn auch unter unterschiedlichen Vorzeichen: Auf der einen Seite engagierten sich Persönlichkeiten wie Victor Adler, Otto Bauer, Hugo Breitner, Robert Danneberg, Julius Deutsch oder Julius Tandler in der Sozialdemokratie für eine egalitäre Gesellschaft, in der auch kein Platz für antisemitische Vorurteile sein sollte. Sie verwirklichten viele ihrer Ziele im „roten Wien“ der Zwischenkriegszeit. Auf der anderen Seite begründete Theodor Herzl Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts den modernen Zionismus, der in der Schaffung eines eigenen jüdischen Staates die Lösung der Probleme des Antisemitismus und der Fragen jüdischer Identität in Zeiten wachsender Assimilation sah. Und schließlich entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass eine der führenden antisemitischen Kräfte in der Zwischenkriegszeit, die Deutschnationale Partei, vom Juden Ignaz Kuranda gegründet wurde.

Leistungen in Wissenschaft und Kultur

Mit der Emanzipation im 19. Jahrhundert kam es auch zu einer drastischen Veränderung der Berufs- und Sozialstrukturen des Wiener Judentums, die mit einer verstärkten Assimilation Hand in Hand ging, sodass viele der jüdischen Intellektuellen ihre traditionelle Bindung an das Judentum verloren. Die jüdische Herkunft vieler Wissenschaftler, Künstler und anderer Intellektueller hervorzustreichen ist daher problematisch und gerät leicht in den Verdacht, „Rassenpolitik mit umgekehrten Vorzeichen“ zu betreiben. Die jüdische Herkunft gewinnt ja erst vor dem Hintergrund der Verfolgung alles Jüdischen durch die Nationalsozialisten wieder an Bedeutung. Erst durch „die Vertreibung des Geistigen“ wird bewusst, welch großen Anteil das Judentum an der österreichischen Kultur und Wissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. hat. Aus der Vielzahl an Persönlichkeiten können hier nur einige der bekanntesten aus den verschiedenen Bereichen des Kultur- und Geisteslebens angeführt werden. Der Ruhm der Wiener Medizinischen Schule geht beispielsweise zu einem guten Teil auf die Leistungen von Ärzten jüdischer Herkunft zurück: Julius Tandler, Emil Zuckerkandl, Ernst Fuchs, Josef Breuer, Carl Sternberg, Julius Schnitzler, Ludwig W. von Mauthner, Ernst Löwenstein, Robert Bárány, Otto Loewi, David Gruby, Josef Halbans, Adam Politzer, Viktor E. Frankl und Leopold Freund sind nur einige in der Wissenschaft hervorragend klingende Namen - Bárány (1914) und Loewi (1936) wurden für ihre Leistungen sogar mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Sigmund Freud erschloss mit der Entwicklung der Psychoanalyse neue Methoden zur Erforschung der menschlichen Psyche und zur Behandlung psychischer Störun­gen, und sein Schüler Alfred Adler entwickelte die Individualpsychologie. Der Rechtslehrer Hans Kelsen ist einer der wichtigsten Vertreter des Rechtspositivismus und Schöpfer der österreichischen Verfassung. Im naturwissenschaftlichen Bereich sind Siegfried Marcus als Erfinder des Automobils, als Physiker Lise Meitner, Wolfgang Pauli (Nobelpreis 1945) und Felix Ehrenhaft, als Biochemiker Max F. Perutz (Nobelpreis 1962), als Botaniker Julius von Wiesner, als Chemiker Fritz Feigl, Leo Grünhut, Edmund von Lippmann und Otto von Fürth und als Astronom Samuel Oppenheim beispielhaft zu erwähnen.

Besonders eindrucksvoll ist der Beitrag der Wiener Juden zur Musik, zu Literatur und Presse, zu bildender und darstellender Kunst des ausgehenden 19. und der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Am Aufbruch Wiens in die Moderne waren die Wiener Juden sowohl auf Seiten der Förderer und Auftraggeber als auch als Kulturschaffende engagiert: In den Salons des jüdischen Großbürgertums fanden die Künstler das geeignete Forum für ihre neuen Ideen, hier erhielten die Designer der Wiener Werkstätte und die Jugendstilarchitekten einen erheblichen Teil ihrer Aufträge. Im Salon Berta Zuckerkandls wurde zum Beispiel die Idee zur Gründung und zum Bau der Wiener Secession geboren.

In der klassischen Musik der Jahrhundertwende nahmen Komponisten wie Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Egon Wellesz, Erich Korngold und Alexander Zemlinsky eine herausragende Stellung ein, und im Genre der Operette glänzten Oscar Straus, Emmerich Kalmán, Leo Fall und Edmund Eysler. Dass auch Johann Strauß Sohn, der Wiener Walzerkönig, jüdische Vorfahren hatte, wurde später von den Nationalsozialisten geflissentlich übersehen.

Die Liste der Wiener Literaten und Publizisten jüdischer Herkunft ist besonders lang und umfasst einen wesentlichen Teil der österreichischen Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts: Arthur Schnitzler, Hermann Bahr, Hugo von Hofmansthal, Richard Beer-Hofmann, Peter Altenberg, Karl Kraus, Jakob Wassermann, Alfred Polgar, Franz Werfel, Stefan Zweig, Franz Kafka, Friedrich Torberg, Hans Weigel, Elias Canetti, Hugo Bettauer, Fritz Hochwälder, Josef Roth, Felix Salten, Hilde Spiel, Jura Soyfer, Vicki Baum ... — jeder Name steht für ein ganz spezifisches Beispiel österreichischer Literatur, wobei österreichisch für das Einzugsgebiet der Habsburgermonarchie gilt, da viele der hier angeführten Schriftsteller aus den verschiedensten Gebieten der Monarchie kamen und in Wien den künstlerischen Durchbruch schafften, ehe sie von den Nationalsozialisten verfolgt und geächtet wurden.

Das gilt auch für Publizisten wie Egon Friedell, Karl Ausch, Friedrich Austerlitz oder Anton Kuh, für Philosophen wie Ludwig Wittgenstein, Karl Popper, Martin Buber, Josef Popper-Linkeus, für Kabarettisten wie Karl Farkas, Fritz Grünbaum, Hermann Leopoldi oder Hugo Wiener, für Regisseure wie Max Reinhardt, Fritz Kortner oder Leopold Lindtberg. Einige gerieten durch die Verfolgung in Vergessenheit, andere konnten — so sie den NS-Terror überlebten — ihre Karriere nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzen. Manche machten erst in der Emigration die große Karriere wie Billy Wilder, Fred Zinnemann oder Otto Preminger, die zu Synonymen für den erfolgreichen Hollywood-Film wurden.



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